Klassischerweise werden Prophezeiungen zum neuen Jahr mit heißem Blei durchgeführt, das man in Graberde erkalten lässt. Diese schöne Tradition ist heutzutage immer mehr zu Klamauk verkommen, bei dem Familien um Küchentische herumsitzen, und das Blei gelegentlich mit oder ohne Absicht in den Glühwein fällt.
So kann das aber mit professioneller Wahrsagerei nichts werden, weil kein magisches Richtfeld infolge von Extremwerten der Lebenszeit entstehen kann. Außerdem ist es in dieser Form sowieso Nekromantie, und Geister babbeln ständig dummes Zeug.
Also führe ich nun extra für euch Leser ein ganz tolles Elementarritual mit besonderer Nebulosität durch:
Ich schreibe meine Frage „Wie wird das Jahr 2022 n.Chr. in Bochum?“ (Ich hoffe, das ist genau genug formuliert aus Dämonensicht.) auf einen Zettel, verbrenne ihn, und lese dann aus dem Rauch die Antwort. Dieses beinhaltet dann zwar nur die Elemente Feuer und Luft. Aber einen Strudel in einem Fluss habe ich hier gerade nicht, und ein Erdbeben würde meinen Tee überschwappen lassen. Also muss das so genügen.
…
Nach etwas Herumkramen habe ich noch Glitzer-Seidenpapier in der Ecke. Eigentlich sollte man darauf mit den Tränen von Fröschen schreiben. Aber türkise Tusche geht bestimmt genauso gut. Eine schöne Schreibfeder habe ich jedenfalls.
…
Besser nehme ich mehrere Lagen Seidenpapier. Sonst gibt das nicht genug Rauch.
…
Ok, nächster Ansatz. Seidenpapier eignet sich nicht für Tusche. Die verläuft darauf nur.
…
So, auf Bastelpapier in Altweiß geht es, und sieht sogar recht hübsch aus.
…
Nun muss ich noch ein paar Wesenheiten anrufen, die etwas mit Zeit zu tun haben. Wen nehme ich denn mal? Sagen wir: Chronos für die Vergangenheit, die Baba Yaga für die Ewigkeit und für die Zukunft Klonschaf Dolly. Bessere Leute fallen mir gerade nicht ein. Dann verbrenne ich jetzt also das Papier, und sage dabe: „Bei Chronos, der Baba Yaga und Dolly, dem Klonschaf: Enthülle mir die Antwort auf meine Frage zur Zeit, oh aufsteigender Rauch!“ – Das sollte eigentlich klappen.
…
Jetzt habe ich mir beinahe die Finger verbrannt. Sonst hat die Zaubertechnik aber geklappt. Ich habe sogar die Rezitation hinbekommen.
Beobachtet habe ich: Zunächst ist das Bastelpapier fast ohne Rauch verbrannt. Dann habe ich mit ihm herumgewedelt und mir dabei den linken Daumen halb entflammt. Danach ist eine mittelgroße Wolke vom Papier aufgestiegen, gefolgt von zwei kleineren. Eine besondere Form hatte aber keine davon.
Mein Ergebnis deute ich folgendermaßen:
Einen größeren Teil des Jahres 2022 wird nichts passieren, obwohl jeder was erwartet. Dann passieren Dinge, die an halb erwartbaren Stellen schmerzhaft werden. Die Geschehnisse haben ein Hauptereignis und kleinere Nachwehen, die unter ähnlichen Bedingungen stattfinden. Am Ende ist aber trotzdem alles so, wie man es erhofft hatte.
Ich hoffe nur, dass ich mich nicht gerade irgendwo in Metaebenen der Hellseherei verstrickt habe.
Außerdem ist mir im Nachhinein aufgefallen, dass ich die Frage speziell für Bochum gestellt hatte. Weitere Ebenen darüber oder darunter hat die Geisterwelt wahrscheinlich verpeilt.
Doch egal: Ich wünsche jedenfalls einen guten Rutsch gefolgt von einem (für meine Gefolgschaft) erfolgreichen neuen Jahr!
Bleibt auch 2022 böse!
Euer Tobias, der sehr finstere