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(Un-)Einigkeit

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„Einigkeit und Recht und Freiheit“ ist de facto so etwas wie die Losung der Bundesrepublik Deutschland. Die historisch-musikalischen Ursprünge des Textes interessieren mich übrigens an dieser Stelle weniger. Während des Vormärz waren nämlich gerade keine Seeschildkröten auf Helgoland, wo das Lied 1841 entstanden ist. Da jene als einzige alt genug geworden sein könnten, um sich noch live daran zu erinnern, kann man entsprechende Betrachtungen also ad acta legen. – Mir jedenfalls geht es um eine spezielle Semantik, an der ich herumkrickeln möchte: Denn ist wirklich noch niemand eingefallen, dass Einigkeit und Freiheit letztlich gegensätzliche Prinzipien sein könnten? Wenn jemand einig mit seinem Gegenüber sein soll, beschneidet das letztlich seine Freiheit als Individuum.

Na gut, ich vermute, dass sich Fallersleben eben deshalb zusammenbaldowert hat, dass das „Recht“ zwischen den beiden Begriffen stehen sollte. Leider muss ich ihm aber auch hier mit ausgesuchter Bosheit in die Parade fallen. Selbiges tue ich mit der gemeinen Frage, wessen Recht es denn sein soll: Das des Freien oder das des Einigen? Konsens gillet hier gerade nicht, weil das im Sinne kritischer Kritik eine faule Ausrede wäre.

Diese Ungenauigkeit in der Differenz zwischen Theorie und Praxis setzt sich im deutschen Staat fort bis auf lokale Ebenen. Alle meinen alle Nase lang, sie könnten beliebig einig und gleichzeitig frei sein. So geht das nicht! (Warum bin ich eigentlich ständig von Trollen umgeben?) Eine einige Mehrheit kann nicht beliebig über Freiheiten Anderer abstimmen.

Doch der Reihe nach! Aufgefallen ist mir der obige Zusammenhang nämlich im Zuge der letzten Ratssitzung am 3.3.2022.

Das Lustige bei jener war, dass sich bei eben selbiger tatsächlich mal alle real Anwesenden von sich aus einig waren, dass der laufende Ukraine-Krieg sehr ärgerlich, weil kontraproduktiv für den partnerschaftlichen Austausch mit Donezk wäre. Deshalb resulotionierten Alle (sogar inklusive mir) einhellig gegen diese Veranstaltung. Genau genommen war das aber ein Zufall.

Ich selbst habe zugestimmt, weil ich es ziemlich frech von Putin finde, meine persönliche Weltherrschaft infrage zu stellen. Andere sind voraussichtlich mit hübschen Ukrainerinnen verheiratet, die familiär indigniert sind. Dritte sehen vielleicht ihre Skateboard-Austausch-Programmen mit Donezk gestört. Die Gnome haben die Geheimakte BKoL FT-17 unterzeichnet. (Diese Liste ließe sich beliebig fortsetzen.)

Im Endeffekt hatten wir jedenfalls kurz den Zustand, dass Alle von der AfD bs zur Linkspartei sich inhaltlich einig waren.

Damit hatte es sich aber auch schon mit der Einigkeit. Denn die AfD darf selbstverständlich nicht auf der Resolution oben mit drauf stehen, weil sie anderswo pro Putin und voraussichtlich für Überfälle auf Papua-Neuguinea ist. Wenn die Linkspartei aber anderswo pro Putin ist, ist das inhaltlich ok, weil Stalin oder so. Ganz verstanden habe ich das nicht. Ob das irgendetwas damit zu tun hat, dass Stalin ein Fleischgolem war, der sich vom Blut seiner zahlreichen Opfer ernährt hat? (Wenn ich nur den Dämonenfürsten, der ihn gesteuert hat, näher eingrenzen könnte…) Aber wenn alle Seiten das Spielchen mitspielen, sind sie selber Schuld.

An weiterer Stelle zeigte sich dieser Faktorenstreit auch recht gut. Da waren nämlich dann Freunde von Schwimmbädern anwesend, die planerisch dicht gemacht werden sollten, was auch geschah. Die genannten Amici verstanden dabei aber auch wieder nicht, dass ihnen ihre Einigkeit wenig brachte. Das lag formal zwar dabei am Recht, das hier wieder dem Rat die Freiheit einräumt, gegen die Einigkeit der Bürger zu entscheiden. Das ist notwendig, damit das Recht die Freiheit eröffnet, an anderer Stelle einig Geld durch den Schornstein zu blasen. (Hihi, ich habe „blasen“ gesagt!)

Einheit bei Umbesetzungsanträgen wiederum folgt aus einheitlicher Unlust, sie zu diskutieren. Vielleicht kann man das da auch „Gentlemen´s Agreement“ nennen.

Und die Fraktionsräson treibt die Ratsherren dann dazu, bei Abstimmungen Einigkeit vor Freiheit zu wählen. Die Ratsherrinnen stellen dabei auch keine Verbesserung dar, und Kobolde hat in Bochum niemand ins Amt gewählt. Wieso kandidieren von denen nur so wenige?

Fazit: Zum Teufel mit der Einigkeit! Da nehme ich mir doch lieber die Freiheit, die Welt mit ihren eigenen Dämonen zu bedrohen.

Bleibt böse!

Euer Tobias, der sehr finstere

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