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Merkwürdig gute Laune

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Die zurückliegende Sitzung des Stadtrates (am 21.6.2022) war seltsam. Die Rahmenbedinungen waren eher dürftig, und dennoch herrschte eine gelöste Stimmung im Saal. Entsprechend fielen auch die rituellen Kloppereien aus.

Formal hatte jemand die 0,5 l-PET-Flaschen im Kühlschrank gegen 0,2 l-Glasflaschen ausgetauscht. Dazu standen nun statt Wassergläsern Weißweingläser auf unseren Tischen. Vielleicht waren es auch sehr groß geratene Sherry-Gläser. Um hier eine Endaussage zu treffen, bräuchte man wohl eine Statistik über den Sherry-Konsum im Ruhrcongress. Die Cola konnte man aber auch da rein kippen.

Das Wetter war warm, aber nicht heiß an dem Tag. Die Maskenpflicht war endlich aufgehoben. Zwar bat der OB am Anfang rountinemäßig darum, das Teil auf zu behalten. Das tat aber kaum noch jemand, weitgehend unabhängig von den in meiner Sichtweite befindlichen Fraktionen. Außerdem musste man es de facto auch so halten. Die Klimaanlage pumpte nämlich für meinen Geschmack nicht genug Sauerstoff in den Raum. Deshalb konnte man lustig werden.

Ärgerlich war das mal wieder viel zu volle Programm. Wir hatten über vierzig Punkte, über die wir hätten beraten können. Natürlich stellten sich dabei einige als beliebter heraus denn andere; zumindest, was die Diskussionen anging. Gegen Ende meinte in dem Zusammenhang so ein herumstehender Vorsitzender der CDU, die Verwaltung möge doch lieber mal eine Sitzung mehr anberaumen, anstatt die anwesenden Großwesire und den Rest zu einem Fegefeuer der geistigen Unausgeruhtheit und Mockiertheit zu verdammen. Darob wurde ihm allseits Beifall gespendet.

Sonst wurden schon wieder argumentative Geschütze aufgefahren wegen dem Haus des Wissens. Hauptamtliche Rechengenies hatten wegen dem Ding nämlich zusätzliche Kosten aus dem Ärmel geschüttelt. Doch bereits hier zeigte sich die allgemeine Unlust zu wüsten Schlagabtäuschen. Man war sich im Endeffekt einig, dass man das Bauwerk haben, aber kein Geld dafür ausgeben wollte. Aber weil ging sonst nicht musste was musste.

Wir hatten dazu als Fraktion eigentlich noch eine dynamische Kostenobergrenze implementieren wollen. Das kam mir wie eine ganz tolle Idee vor. Irgend so ein Typ nölte dann herum, „atmende Deckel“ wären noch nie eine gute Idee für Bauprojekte gewesen. Leider blieb er eine Begründung für seine These bis auf Weiteres schuldig. Wegen Gemeinheiten dieser Art wurde unsere formalistische Innovation jedenfalls abgelehnt.

Im selben Zusammenhang gab es auch noch einen Antrag für einen Ratsbürgerentscheid. Dieses komplizierte Wort wäre inhaltlich auf ein Element direkter Demokratie für zugehörige Entscheidungsprozesse hinaus gelaufen. Das wollte aber die Mehrheit im Rat auch nicht.

Es gab dazu noch eine namentliche Abstimmung, deren Sinn sich mir nicht wirklich erschlossen hat. Es war eigentlich klar, wer wie wählen würde.

Nur, warum ein gewisser Turbopolitiker dagegen gestimmt hat, weiß ich nicht. Vermutlich war er zu schnell für den Antrag. Er war sogar so schnell, dass er kurz danach mit der Sitzung fertig war, wo alle Anderen vor lauter Langsamkeit noch mehr als die Hälfte derselben vor sich hatten.

So verpasste er nicht nur eine Reihe langatmiger Reden und Umbesetzungsanträge, sondern auch den abschließenden halbgaren Streit um eine Fortsetzung für das 9-Euro-Ticket. Ich musste mich ziemlich zusammenreißen, um ans Rednerpult zu torkeln, und dort ein oder zwei Punkte anzumerken, die mir wichtig waren. Aber da die Koalition sowieso in meinem Sinne gearbeitet hatte, war das nur auf Metaebenen entscheidend. Auch darum wurde deshalb eher patzig gekämpft, als bis aufs Blut.

Somit verbleibt als abschließende Frage: Warum waren wir alle so komisch entspannt-lustlos an dem Tag? Hätte jemand einen Zauber dazu gewirkt, wäre mir das aufgefallen. War es also doch der mangelnde Sauerstoff kombiniert mit der Dauer der Sitzung? Oder hatten gar Götter ihre Finger im Spiel?

Sollte sich so ein Vorfall wiederholen, werde ich wohl Maßnahmen zur magischen Kontrolle einleiten müssen.

Bleibt böse!

Euer Tobias, der sehr finstere

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