Start FINANZEN 5,5 Millionen Euro für verschimmelte Akten

5,5 Millionen Euro für verschimmelte Akten

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Feuchte Keller, das weiß jeder Privatmann, eignen sich einfach nicht, um dort Dokumente für eine lange Zeit zu lagern. Auch der Stadt ist diese Problematik bekannt. Anders als ein Privatmann blieb die Verwaltung allerdings lange Zeit untätig. Mittlerweile haben sich 3000 Quadratmeter verschimmelte Akten im Bochumer Rathauskeller aufgetürmt. Plötzlich verfällt die Stadtverwaltung aber in einen kopf- und konzeptlosen Aktionismus und will so schnell wie möglich 3.500qm im BP-Gebäude an der Wittener Straße anmieten – und ignoriert ein um die hälfte günstigeres Angebot.

Es geht um 3,5 Millionen Euro. Auch für die Bochumer Verwaltung sind das keine Peanuts. So viel Geld will die Stadt für 3500 qm Fläche im BP-Gebäude auf zehn Jahre an Miete bezahlen. Klar ist nur, dass die Akten aus dem Keller raus müssen und dekontaminiert werden müssen. Was noch nicht klar ist: Wie viel Flächen braucht man eigentlich für wie lange, um die verschimmelten Akten zu reinigen und unterzubringen. Auf den ersten Blick scheinen die Zahlen ja zusammen zu passen: Dort liegen 3000 qm verschimmelte Akten und dort möchte man 3500 qm Flächen anmieten. Die Verwaltung sollte trotzdem noch mal den Taschenrechner herausholen und nachrechnen. Laut der Archivierungsrichtlinie NRW benötigt die Stadt nämlich maximal 600 qm Flächen für die Lagerung der 3000 qmverschimmelten Akten. Schließlich werden diese ja in Regalen übereinander gestapelt und nehmen so weniger Platz weg. Was die Stadt nun mit den restlichen und nutzlosen 2900qm machen will, bleibt nebulös. Ebenso bleiben andere Varianten ungeprüft. Digitalisierung der Akten? Man kann nicht einmal Auskunft geben, welche Akten aus juristischen Gründen materiell erhalten bleiben müssen und welche digitalisiert und dann vernichtet werden können. Dienstleister, die Akten lagern und bei Bedarf zu Verfügung stellen? Wurde nicht ernsthaft in Erwägung gezogen. Andere, wohlmöglich stadteigene Immobilien? Nicht zu finden. Bei 3500 qm mag das sein, aber die tatsächlich benötigten 600qm Fläche sollten „kein Ding der Unmöglichkeit sein“.

Bei so vielen zugehaltenen Ohren und zugekniffenen Augen drängt sich der Verdacht auf, dass die ganze Akten-Problematik nur ein willkommener vorgeschobener Grund ist, eine Anmietung von Flächen in der BP Immobilie zu rechtfertigen. BP wollte Ende 2014 aufgrund des beabsichtigten Personalabbaus von 1.200 auf 800 Mitarbeiter einen Teil seiner Räumlichkeiten loswerden, um Mietzahlungen an den Immobilieneigentümer zu sparen. Dieser fand das natürlich nicht so gut, denn einen neuen Teilmieter zu finden, das hätte sich angesichts der verschachtelten Gebäudestruktur als sehr schwierig dargestellt. Hier kommt die Stadt Bochum ins Spiel. Diese versprach als Mieter einzuspringen, damit der auslaufende Mietvertrag der BP verlängert wird und der Standort erhalten bleibt. Ist das hilfreich? Vielleicht. Allerdings misst die Stadt Bochum dann mit zweierlei Maß. Bei einem Handwerksmeister wäre die Stadt nicht bereit, einzuspringen und eine seiner Garagen anzumieten. Aber auch dort geht es um Arbeitsplätze. In Summe genommen schultern kleine und mittelständische Unternehmen sogar die größere Anzahl an Arbeitsplätzen. Besser man senkt die Gewerbesteuer. Damit hilft man großen wie kleinen Unternehmen am besten.

Besonders skandalös wird es aber jetzt: Der Verwaltung liegt ein Angebot zur Unterbringung der Akten vor, das dem Steuerzahler nur die Hälfte kosten würde. Was nun? Offensichtlich ignoriert die Verwaltung aber diese Möglichkeit. Die Ratsfraktion FDP & DIE STADTGESTALTER hat im Haupt- und Finanzausschuss des Rates am 10.12.2015 beantragt, dass erst über eine Anmietung von Lagerflächen nachgedacht wird, wenn ein schlüssiges Archivierungskonzept vorliegt und insbesondere der Bedarf an dauerhaft benötigter Lagerfläche klar ist.

Übrigens: Die Säuberung der Akten wird noch mal 2 Millionen Euro kosten. In Summe geht es um 5,5 Millionen Euro. Für verschimmeltes Papier.

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