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Infernalische Antragskunde

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Man sagt, der Teufel läge im Detail. Das korrespondiert ganz gut mit der Vorstellung, dass Anwälte als Berufsstand eher auf der Seite des Bösen und der Hölle stünden. Für viele Menschen fallen auch offizielle Dokumente allgemein in diese Richtung.

Die Leute sollten allerdings froh sein, nicht im Mittelalter zu leben. Damals war man nämlich tatsächlich der Meinung, es im schlimmsten Fall mit dem Leibhaftigen zu tun zu bekommen. Entsprechend wasserdicht wurden Verträge damals formuliert, denn es hätte ja sein können, dass sonst ein Typ mit Hörnern und Pferdefuß hinter der jeweiligen Lieblingsseele her gewesen wäre. Daher kommen auch die meisten einschlägigen Legenden in Sachen Vertragsrecht.

Nun glaubt man heute häufig nicht mehr an den Teufel, aber umso mehr an Verträge und Papierkram. Ich wiederum bin deshalb als finsterer Zauberer zuletzt misstrauisch geworden. Ich hatte offensichtlich zu viele Anträge, Änderungsanträge, Anfragen und Exposees vor der Nase.

Da fragt man sich als Bösewicht doch glatt, ob doch etwas dran sein könnte an den sagenhaften Berichten. Gibt es vielleicht wirklich so einen merkwürigen Obermeier, der eine Voranmeldung auf einen Thron aus Knochen, Schatten und Basaltgestein hat? Falls ja: Mit welchem Recht erdreistet der sich, mich nicht um Erlaubnis für seine Aktionen zu fragen?

 Wer ist dieser Teufel überhaupt?

Am Offensichtlichsten lässt sich die Fragestellung aus dämonologischer Sicht angehen. Dämonen sind jeder für sich der Meinung, sie seien der Chef der Hölle. Wo sie es nicht sind, wollen sie es werden. (Ja, in gewisser Hinsicht bin ich auch ein Dämon.) Ihr Modus Agens zur Erreichung derartiger Ziele steht in Korrelation zu ihrem jeweiligen Wirkungsbereich. Im Endeffekt haben wir dann in dieser Rechnung jede Menge Teufel, aber ncht zwingend einen an der Spitze. Ein Dämon wird nämlich den Teufel tun, einen anderen als selbigen anzuerkennen, denn er ist es ja selbst.

 Vampire und Werwölfe verhalten sich nebenbei ähnlich, werden aber von echten Dämonen nicht ernst genommen.

 Klassifizieren wir einmal andere Arten von Wesen ganz grob nach ihrem Verhältnis dazu:

 Drachen, Gespenster, Katzen und Kobolde kümmern sich wo irgend möglich nur um sich selbst, und nicht um Teufel.

 Elementarwesen, Golems, Ghoule, Zombys und Trolle sind zu doof, das Konzept eines Teufels auf die Kette zu bekommen.

 Götter, Zauberer und Elfen sind umgekehrt so intelligent, dass sie das Konzept eines Teufels umgehen können.

 Engel, Wissenschaftler und White Metal-Fans kämpfen gegen den Teufel.

 Politiker, Anwälte und religiöse Extremisten wiederum kämpfen für den Teufel.

 Zwerge, Gnome und Orks lassen sich von verschiedenen Seiten kaufen.

Außerirdische und KIs sind so zahlreich, dass sie in jede der obigen Klassen fallen können. Weitere Wesen, die oben nicht genannt werden, sind passenden Oberkategorien zuzuordnen. So fallen Nagas strukturell unter die Drachen, Sidhe sind Elfen, und kleine blaue Pilzbewohner gelten als Kobolde.

Was nützen uns all diese Fallunterscheidungen? Nun, sie bringen uns zu der Erkenntnis, dass der Teufel sehr abhängig ist von subjektiven Standorten, wobei es von manchen Standorten aus aber eine stärkere Tendenz in seine Richtung gibt.

Reflektiert man das zurück auf den Papierkrieg aus der Eingangsbetrachtung, so bemerkt man schnell, dass gewisse Effekte den Teufel überhaupt erst erscheinen lassen. So etwas nennt man eine Beschwörung. Gelegentlich wird vielerorts davon abgeraten, den Teufel an die Wand zu malen. Ich komme nicht umhin, dem Spruch eine gewisse Weisheit zu unterstellen.

Durch Betrachtungen und Beschreibungen erschafft man ein Wesen samt seinem Habitat, welches gemeinhin als Hölle bezeichnet wird. Wie sieht die Hölle aus? Sie ist eine Welt, in der sich alle Leute, die sie betreten, rundherum schlecht fühlen. Sowas ist bei gewissen Typen von Schriftgut durchaus der Fall, wobei es natürlich eine Äquivalenz in der Steigerung gibt. Es wird hier somit ein Klima erschaffen, das einen Zustand hervorruft, welcher ganz nebenbei (unabhängig vom Zwecke des Schriftgutes) Unbehagen weckt. Das Unbehagen wird auf eine mythische Gestalt projiziert, weil diese mit dem Unbehagen assoziiert wird.

Plopp, da ist der Teufel. Wenn man sich mit Beschwörungen auskennt, kann man den Effekt eigentlich ganz einfach identifizieren.

 Wahrscheinlich ist für viele Leser nun noch relevant, wie man den Kerl wieder weg bekommt, sprich exorziert.

Am Einfachsten scheint es dazu, möglichst viel positives Zeugs nahe den Orten und Zeiten der Präsenz zu evozieren. Man kann beruhigende Bücher lesen, schöne Bilder betrachten, oder aufbauende Musik hören. Power Metal ist selten verkehrt. Manchmal hilft auch Schnaps.

Wenn man den Teufel mit Zaubersprüchen bekämpfen will, muss man genug Ahnung von Zauberei haben. Öffentlich zugängliche Sprüche und Anwendungen aus dem Esoladen sind nicht das Gelbe vom Ei. Aromatherapie und Farben helfen nur bedingt, zumal ein Gewöhnungseffekt dagegen arbeitet. Multigramme ins Mauerwerk einzuarbeiten bringt so gut wie gar nichts. (Die Freimaurer haben sich da in eine reichlich dämliche Idee verrannt.)

 Den Teufel zu töten ist ein ziemlicher Aufwand, weil es immer nur lokal funktioniert. Der alte Plagegeist fällt nämlich unangenehm auf, indem er an anderen Stellen wiederkehrt. Entsprechend ist auch die Anschaffung von Zauberschwertern, Aspergillen und Amuletten zu diesem Zweck überflüssig.

Tatsächlich empfehle ich, mit dem Teufel einfach Frieden zu schließen. Man sollte anerkennen, dass er auch zur Welt dazu gehört. Er wohnt an verschiedenen Orten, auch in einem selbst. Allzu sehr mit sich selbst zu hadern führt nur dazu, dass man sich im Kreis bewegt. Behaltet den Teufel einfach im Auge und reagiert auf ihn, wo es nötig ist! Manchmal hilft es, Reserven bereitzuhalten. Zur Erledigung von Papierkram etwa ist hinreichend Zeit einzuplanen. Aber ansonsten lasst Satanas links liegen! Denn sonst gewinnt er wirklich Macht über euch.

Bleibt böse!

Euer Tobias, der sehr finstere

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