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Dickkopperigkeit

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In süddeutschen Dialekten werden Personen an (teilweise intellektuellen) Machtpositionen oft als „Großkopferte“ bezeichnet. Das gilt speziell auch für Politiker, die ihre Meinung besonders laut verbreiten. Ihre reale Kompetenz wird dabei durch den Begriff in Frage gestellt. Aus einer Innensicht und in Bezug auf Bochum möchte ich das entsprechende Verhalten von (Kommunal-)Politikern einmal als „dickkopperig“ bezeichnen. Die Überschrift bietet das dazu gehörende Substantiv.

Natürlich gibt es zwischen den beiden genannten Begriffen eine gewisse inhaltliche Diskrepanz. Ich meine dabei nun, dass eben diese Diskrepanz sich halbwegs äquivalent zur Entfremdung von Politik und Gesellschaft verhält. Das werde ich im Folgenden ausführen.

Der genannte Kladderdatsch hat sich für mich gerade besonders klar abgezeichnet, weil jetzt eben am 18.9.2021 in Bochum ein „Tag des offenen Rathauses“ stattgefunden hat.

Zu selbigem hatten sämtliche Ratsfraktionen im Ratssaal kleine Tischchen stehen, wo Besucher Fragen stellen können sollten. Das war die Theorie. In der Praxis war unser verschlagener Geschäftsführer der einzige, der Bonbons mitgebracht hatte, um sie an arglose Besucher zu verteilen. Das war eigentlich raffiniert gedacht, denn welches kleine Kind hätte schon freiwillig die Äpfel von den Grünen oder gar die Kulis von der CDU genommen?

Als problematisch erwies sich allerdings der weitere Ablaufplan. Ständig stand irgendwer auf der Bühne direkt neben den Ständen herum und erzählte etwas von mittlerem Belang. Dabei wiederholte sich das dann auch noch inhaltlich. An Gespräche war währenddessen nicht zu denken.

Weiterhin wurden Gruppen mit mäßig interessierten Besuchern durch den Raum geschleust. Eine Gelegenheit zum Verweilen oder gar zur Indoktrination gab es für sie aber nicht wirklich. Also standen sich die meisten anwesenden Politiker nur die Beine in den Bauch.

Man hätte demnach annehmen sollen, dass sich alle wie die Aasgeier auf die wenigen Menschen (u.a.) gestürtzt hätten, die sich tatsächlich zwischendurch mal in dem Raum umsahen. Doch weit gefehlt! Ich war eigentlich der einzige, der kleine Kinder mit Süßigkeiten auf die Seite des Bösen zu locken versuchte, bis panische Eltern sie von mir weg zogen.

Hieran zeigt sich zunächst die Verhaltensweise, die ich eingangs beschrieben habe. Ich befürchte da nämlich eine Attitüde bei vielen Politikern, nach der sich die Leute bitteschön selber direkt melden sollen, wenn sie etwas wollen täten. Solchen Behufs mögliche Bezüge zu Sachverhalten herstellen tun sie aber nicht. – Geil, was? – Dann braucht man sich nicht zu wundern, wenn die Bürger und Untertanen planlos im Kreis laufen.

Gleichzeitig höre ich aus vielen Parteien immer wieder und aktuell Gemecker, die jeweils anderen würden ja nicht auf die eigenen Argumente eingehen. Und ja, der Leser vermutet richtig: Vom eigenen Standpunkt hin zu Argumenten der anderen wird natürlich meistens in kaum einer Weise abgewichen.

Eben dazwischen muss ich dann als Zauberer mit Restwahrscheinlichkeiten meine Matrizen in das Raum-Zeit-Kontinuum einarbeiten.

Aus der Bundespolitik sehe ich grob das gleiche. Es wird von allen Seiten gemauert, abgeblockt, und sich gleichzeitig auf ein hohes Ross von Absolutheitsansprüchen gehockt. Und alle wundern sich, dass der andere nicht zuhört.

Was hilft nun?

Aus meiner persönlichen Sicht ist die Antwort einfach: Es muss mehr magisches Denken her! Denn wenn alle genau das machen, was ich mir vorstelle, ist alles ganz toll… weil wir dann das gleiche Problem haben wie vorher…

(*nochmal*)

Versuchen wir es feldtheoretisch: Die Ansprüche der einzelnen Personen haben dann eine nach außen (in Bezug auf ihr soziales Umfeld) abnehmende Wirkungsstärke, und bei einer Kollision der Körper erfolgt ein Abstoßungseffekt. Bei besonderer Sympathie wiederum kommt es zu Kollisionen, und Pärchen kollern auf dem Boden herum. Das funktioniert auf vielen Ebenen. Ähm.

Na gut. Reduzieren wir das Problem auf soziale Magie. Dann muss man immer erst genau ausloten, was der Politiker vor Einem für ein Kraftfeld emittiert. Danach kann man zu ihm eine passende Position einnehmen.

Das gilt nicht nur für Politiker, sondern auch allgemein für Politikinteressierte und kreuz und quer untereinander. Im Ergebnis quatschen dann hoffentlich Leute, die von ihren Themen her zusammen passen. Das vermute ich jedenfalls.

Bleibt böse!

Euer Tobias, der sehr finstere

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