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Parteien, Ausschüsse und Vampire

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Hin und wieder kommt von Seiten unbedarfter Leute die Frage auf: „Gibt es eigentlich echte Freundschaften in der Politik?“ Der Hintergrund dazu ist, dass es beim Zusammentreffen von Politikern oft zugeht wie beim Vampire-Liverollenspiel. Dieses gehört zur „World of Darkness“ des einstmals amerikanischen und nun schwedischen Spieleherstellers „White Wolf“. Wer das Glück hatte, noch nicht bei so einer Veranstaltung gewesen zu sein: Es geht dort nicht etwa primär um das Belegen von Toast mit Blutwurst oder Rezepte für englisches Steak, wozu dann allseits Bloody Mary getrunken wird.

Statt dessen reden die Anwesenden speziell in der Live-Variante dieses Rollenspiels hinter mehr Rücken hinter einander, als überhaupt Rücken vorhanden sind. Hier spielt der mathematische Begriff der Potenzmenge eine Rolle. Kurz gesagt geht es darum, Abende lang herum zu intrigieren.

Als äußerer Beobachter fragt man sich dabei oft, ob eigentlich auch mal etwas passiert. Selbiges ist selten der Fall, aber alle Möchtegern-Vampire behaupten es dennoch steif und fest.

Politiker verhalten sich teilweise äquivalent. Sie stehen in Grüppchen herum und palavern und meinen dabei wunders, was sie tun würden. Hin und wieder springt jemand dabei sozial über die Klinge. – Lustige Information am Rande: Viele Leute wundern sich, warum ich selbst nicht schon seit Langem selbiges getan habe. Der Grund dafür ist einfach: Ich spiele in dieser Analogie mit der „World of Darkness“ gar keinen Vampir, sondern einen wahnsinnigen Magier, genauer gesagt einen „Son of Ether“. An der Stelle weichen Ansätze wie Konsequenzen bei mir ab.

Äußere Beobachter sind im realen Fall wiederum Bürger, die entweder als Besucher bei Sitzungen vorbeikommen, oder aber zugehöriges Zeugs in der Zeitung lesen. Sie blicken auf die Politik und verwundern sich darob, dass die Politiker ständig in Grüppchen herumstehen und quatschen. Hin und wieder machen sie viel Lärm um Anträge, die meist entweder abgelehnt werden, oder wenig besagen.

Dass die Politikern dessenthalben behaupten, es würde total viel passieren, führt allgemein zu Verärgerung.

Zurück zur Ausgangsfrage mit den Freundschaften!

Vampire schließen selten solche; dafür sind sie zu untot. Entsprechendes gilt für Politiker. Dabei habe ich mir schon lange gedacht, dass politische Freundschaften nur dann real sein können, wenn man auch bereit ist, sie außerhalb der eigenen Partei zu schließen. Genau das ist die Krux hüben wie drüben. Die Klans der Vampire im Spiel entsprechen den politischen Parteien.

Gruppen in einer normalen Rollenspielrunde aber haben ein gemeinsames Ziel, das auch Angehörige verschiedener Vampirklans vereint und zusammenschweißt! Dies sind wohlgemerkt Verhältnisse beim Tischrollenspiel, die im Live aufgelöst sind. Entsprechend gehen dort auch soziale Bindungen, namentlich Freundschaften, hopps.

In der realen Politik sind die Analogie zu den Abenteurergruppen die Ausschüsse. In diesen sitzen Politiker unterschiedlicher Parteien, die daran arbeiten müssen, dass Fahrradwege angelegt, Pornostars geehrt, oder Schlachtkreuzer mit 10.000 Bruttoregistertonnen auf Kiel gelegt werden. Zum Intrigieren bleibt dabei meist weit weniger Platz, weil das Oberkommando der Marine drängelt.

Dabei haben sich die Leute diese faktischen Gruppenschwerpunkte (Ausschüsse) selber ausgesucht, was in Parteien weniger der Fall sein muss. Da ist man vielleicht mal aus prinzipiellen Erwägungen eingetreten, selten aber wegen einzelner Anliegen. Folglich können hier auch leichter Freundschaften entstehen als dort.

In den Parteien können sich hinterlistige Charaktere austoben bis Piependreh. Je kleiner die Sachgruppen werden, desto sachbezogener werden sie. Dabei muss man aber drei Kreuze (oder andere Zeichen wahren Glaubens) machen, dass die Vampire vorher halbwegs sinnvolle Fragen an die Sachgruppen heran getragen haben.

Fazit: Wenn schon World of Darkness, dann spielt doch lieber Mage oder Changeling!

Bleibt böse!

Euer Tobias, der sehr finstere

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