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Verschwörungen

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Im Moment ist es ja allseits beliebt, sich zu verschwören, um die Weltherrschaft an sich zu reißen. Ich bin dabei offensichtlich der einzige, der das auch alleine schafft. Alle Anderen sind Versager und möchten von ihrer Unfähigkeit nur dadurch ablenken, dass sie sich in Geheimbünden verbünden. Aber die werden schon noch ihr sehr finster-blaues Wunder erleben!

Letzte Woche saß ich jedenfalls im Ausschuss für Kultur und Touristik herum und erlebte dort wieder mal klägliche Versuche, die Oberhoheit irgendwo drüber zu erlangen. Ganz ehrlich und aus voller Seele: Als effektive Umsetzung von Eroberungsplänen konnte man das wirklich nicht bezeichnen.

Zunächst ging es thematisch darum, Verschwörungen gegen Unheil zu verbreiten und auszubauen. Namentlich war das angedachte Denkmal für die „Weiße Rose“ hinter der Propstei modifiziert worden, so dass nun auch Schulklassen und ähnliche Subjekte es nutzen können, um gegen gleichschrittige Uniformisten auf einer breiteren Ebene vorzugehen. Zu diesem Zweck braucht es offenbar senkrechte Linien (wieso eigentlich?), kontralokale Farbgebungen, sowie Trittsteine, wie auf meine Nachfrage hin geschlussfolgert wurde. Ich lasse das einmal so stehen.

Bei anderer Gelegenheit stellte ich fest, dass ein überraschend intelligenter Mann aus der Stadtverwaltung 100 Punkte gegen Corona ausgearbeitet hatte. Der Herr schien sich mit uns verschwören zu wollen, um seine Strategien umzusetzen. Na, gut. Dass ich die eigentliche Bedrohung für die Welt bin, hat er nicht mitbekommen.

Außerdem sollte das Budget für so eine Veranstaltung im Bahnhof Langendreer um satte 50% (40.000 Euro) erhöht werden. Eine Frau von der CDU witterte deshalb eine Verschwörung, und forderte eine Begründung für die Finanzaufstockung. Sie ließ sich jedoch damit abspeisen, später irgendwann noch ganz sicher genauere Zahlen zu bekommen. Ich selbst stimmte dann aus strategischen Gründen zu, um später dort die Macht an mich reißen zu können.

Der Einzige, der hier offen per Gegenstimme sein Missfallen kundtat, war der vielleicht etwas (zu) junge Mann aus der AfD. Er hätte es vorsichtiger anfangen sollen. Sonst meint nachher noch jemand, er glaube an Verschwörungen.

Gegen Ende hatte noch so eine Frau von der Musikschule was erzählt. Eigentlich waren da drei Musikschulisten anwesend. Instrumente hatte niemand dabei, dafür wurde aber ein Filmchen abgespielt. Die Erzählung dazu war durcheinander. Erst ließ sich der eine Typ lang und breit über Trommeln aus, und dann wurden in dem Video gar keine gespielt, sondern viele diese orientalischen Lauten. Der Klang dazu war entsprechend etwas in Richtung Weltmusik. Die Präsentatoren waren offenbar im Vorfeld nicht informiert worden, dass man sich mein Wohlwollen eher mit Heavy Metal hätte erkaufen können.

Die besagte Frau parlierte jedenfalls als Abschluss mit 150%iger Überzeugtheit. Nun lade ich jeden ein, mit 150%iger Überzeugtheit meine eigenen Thesen zu vertreten. Das gilt insbesondere für Leute, die ich inhaltlich überzeugt habe. Diese Frau jedoch arbeitete sich an Denkmustern ab, die so aristotelisch waren, dass man sie fast schon platonisch nennen konnte.

In realitas hat sie sich dann eine gefühlte Ewigkeit an abzählbaren Strukturen abgearbeitet, die gruppenbezogene Foki bildeten. Boah, haben sich mir die Haarwurzeln gekräuselt! Nun haben lineare Abzählungen aber einen sehr wesentlichen Nachteil: Sie sind – auch innerhalb ihrer Dimensionierung – ziemlich beliebig erweiterbar. Gleichzeitig meinen aber Leute, die sich solcher Denkmuster bedienen, recht häufig, das Konstrukt wäre endlich. So war es auch in diesem Fall. Ich musste die Aufzählung nur um eine einzelne mir sympathische Menschengruppe (als Element) erweitern, und schon waren die Musikanten am Schwimmen, weil ihr ganzes Gedankengebäude nicht mehr stimmte. Eine einzelne Wortmeldung und bumms, feddich, rappelt im Karton.

Meinen Untertanen möge dies ein Hinweis sein, solches zu unterlassen, insbesondere das aristotelische Denken nämlich. Als Ersatz empfehle ich vektorielle und faktorielle Strategien. Wenn man die drauf hat, braucht man keine Verschwörungen mehr. Im Gegenteil entwickeln sich dann Verschwörungen gegen einen selbst in eine eher klägliche Richtung.

Bleibt böse!

Euer Tobias, der sehr finstere

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